Mit heftigen Luftschlägen begann die türkische Bodenoffensive in Nordsyrien. Aktivisten berichten bereits von ersten Todesopfern unter der Zivilbevölkerung.
Türkische Bodenoffensivebgegen kurdische YPG-Miliz
Das Verteidigungsministerium der Türkei gab am 10.10.2019 um 22:00 Uhr den Beginn der Bodenoffensive bekannt. Die Operation „Friedensquelle“ richtet sich gegen die kurdischen YPG-Milizen. Hierzu haben türkische Soldaten die Grenze zu Nordsyrien überschritten.
Die Offensive begann von türkischer Seite mit einer Serie von Luftangriffen und Artillerieüberfällen. Die Luftangriffe der türkische Luftwaffe dauerten über sechs Stunden lang. Bis Mitternacht wurden von den türkischen Bombern etwa 181 Ziele in Syrien angegriffen. Zusätzlich verübte das türkische Militär zahlreiche Artillerieüberfälle. Ziele der türkischen Luftangriffe waren unter anderem die Städte Tall Abjad und Ras al-Ain, die nahe der Grenze der Türkei liegen.
Die türkischen Behörden erklärten die kurdische YPG-Miliz als einen syrischen Ableger der kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit zur Terrororganisation.
Tausende Bewohner auf der Flucht vor den Türken
Eine nicht enden wollende Kolonne aus Motorrädern und Kleinlastern strömte aus den von der türkischen Bodenoffensive betroffenen Städten und den umliegenden Gebieten. Doch viel der Bewohner flohen sogar zu Fuß. Passanten berichten von Panzern in der direkten Nachbarschaft von Tall Abyad und anderen Städten. Die Menschen fleiehen aus Angst um ihre Kinder und um ihr eigenes Leben.
Der Strom der Flüchtlinge ist nach Süden gerichtet. Im Süden befindet sich der Einflussbereich der SDF, der „Syrischen Demokratischen Kräfte“. Nach Angaben der Kurden bombardierte die türkische Luftwaffe Ziele im Landesinneren von Syrien, die 50 Kilometer von der Grenze zur Türkei entfernt lagen.
Die Menschen flüchteten zumeist Richtung Süden in Regionen, die noch von den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften, kurz SDF, kontrolliert werden. Allerdings soll die türkische Luftwaffe nach kurdischen Angaben Ziele bombardiert haben, die sich 50 Kilometer weit im Landesinnern befinden.
Flüchtlingshilfswerk UNHCR warnt vor Folgen der türkischen Bodenoffensive
UNHCR-Repräsentant in Deutschland Dominik Bartsch warnte vor den Folgen der türkischen Bodenoffensive. Kampfhandlungen würden zu neuen Fluchtbewegungen und einer erneuten Vertreibung innerhalb Syriens führen. Die humanitäre Hilfe in Syrien könne nicht ausgeweitet werden, schließlich befinde sich Syrien im neunten Kriegsjahr.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien berichtet bereits von ersten von den Türken getöteten Zivilisten, darunter auch Kinder.
Syrische Nationalarmee: türkische Bodenoffensive von Milizen unterstützt
Die sogenannten Ankara-treue Milizen der syrischen Nationalarmee unterstützen die türkischen Panzer und Infanteristen bei ihrem Angriff auf Syrien. Die syrische Nationalarmee wurde im Jahr 2017 auf Betreiben der Türkei höchstselbst gegründet. Zur syrischen Nationalarmee gehören Rebellengruppen und andere Milizen.
Ahmad Moussa: Kurden werden der türkichen Bodenoffensive Widerstand leisten
Auf einer Kundgebung in Al-Hassaka erklärte Ahmad Moussa, Sprecher der Syrischen Demokratischen Kräfte, dass die Kurden den türksichen Panzern und Soldaten Widerstand bis zum letzten Blutstropfen leisten würden. Sie haben das Recht auf Selbstverteidigung. Ahmad Moussa forderte die Europäische Union und die Vereinten Nationen dazu auf, gegen die türkische Bodenoffensive zu intervenieren.
SDF-Sprecher erklärt: „IS-Kämpfer werden befreit“
Im Nordosten von Syrien werden in Lagern der Kurden etwa 6.000 Kämpfer der Organisation „IS / Islamischer Staat“ festgehalten. Die Zahl steigt bis auf 100.000 Menschen an, rechnet man noch derenAngehörigen und Sympathisanten hinzu. Wenn jetzt die Kurden gegen die Panzer und Soldaten der türkischen Bodenoffensive kämpfen müssen, könnte es dazu kommen, dass sich die IS-Kämpfer aus den Lagern befreien. Die erklärte ein Sprecher der Syrischen Demokratischen Kräfte SDF. Die türkische Armee habe zudem ein solches Gefängnis beschossen.
Sitzung des Weltsicherheitsrats beantragt
Die türkische Bodenoffensive beschäftigt zudem den Weltsicherheitsrat. Dieser tagt über den türkischen Überfall auf Syrien, wie aus UN-Diplomatenkreisen zu erfahren war. Die Sitzung wurde von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Belgien und Polen als Mitgliedsländern des Weltsicherheitsrates beantragt.
Außenminister der Region planen Treffen in Kairo
Hossam Saki – stellvertretender Generalsekretär der panarabischen Organisation – kündigte für den 12.10.2019 ein Treffen der Außenminister der arabischen Region in Kairo an. Ägypten hatte ein Treffen angeregt, um über die „Aggression“ gegen die Souveränität Syriens zu sprechen. Auf dem Treffen soll die türkische Bodenoffensive zum Thema werden.
Erdogan versucht, die Bodenoffensive zu rechtfertigen
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan rechtfertigte auf twitter den türkischen Überfall auf Nordsyrien. Er behauptet, dass für die Türkei eine Bedrohung durch Terroristen bestünde. „Unsere Mission ist es, die Entstehung von Terrorkorridoren über unsere Südgrenze hinweg zu verhindern, und Frieden in die Region zu bringen“ twitterte Erdogan. Der SDF-Sprecher Mustafa Bali hingegen sprach von einer „großen Panik“ in der nordsyrischen Region, welche durch die türkischen Luftangriffe auf „zivile Gebiete“ in Nordsyrien ausgelöst wurde. In der Stadt Tal Abjad haben die „Syrischen Demokratischen Kräfte“ sogar die türkische Bodenoffensive gestoppt.